Das business mit den freebie Kursen (Vincent Chen Kurs)

Ich habe in letzter Zeit ein paar Entscheidungen getroffen, vielleicht ein paar gute, vielleicht ein paar weniger gute. Vielleicht hatte ich einen Kaufrausch nach neuen Klamotten, weil ich gemerkt habe, dass mir diese Mode gerade richtig gut gefällt und ich zum ersten Mal seit Jahren wieder Spaß daran habe, Hosen zu tragen. Aber ich habe auch etwas nicht gekauft, obwohl jemand (TM) wirklich stark versucht hat, mir etwas zu verkaufen. Und ich meine wirklich, wirklich stark.

Vincent Chen ist ein amerikanischer Youtuber und Blogger, der seine Reichweite nutzt, um anderen Menschen, insbesondere Amerikanern, beizubringen, wie auch sie aus ihrer unverschuldeten finanziellen Situation herauskommen und reich werden können. Und da ich ein interessiertes Nüsschen bin und mir immer gerne übermotivierte Mails von Influencern aus Amerika in mein Postfach spülen lasse, um zu sehen, was sie sich wieder so Tolles ausgedacht haben (Sparen ist übrigens gerade der heiße Shit, wer hätte das gedacht?!?), habe ich auch hier nicht nein gesagt, als er seinen 5-day-change-your-money-forever-Kurs kostenlos verteilte. Was dann kam, hatte ich nicht erwartet.

Warm Up

Am ersten Tag des Kurses war ich gespannt und ein wenig skeptisch. Ich öffnete die erste E-Mail und wurde von Vincent herzlich begrüßt. Er sprach über die Wichtigkeit der richtigen Einstellung und wie diese der Schlüssel zum finanziellen Erfolg ist. Nichts Neues, aber gut verpackt. Es war ein typischer Motivationsschub, der mich auf die kommenden Tage vorbereiten sollte. Ich machte mit, schließlich wollte ich wissen, wohin das alles führen würde. hier war bereits die erste Stelle, an der dieser sehr amerikanische Kurs nicht zu meinen europäischen Verhältnissen passte – ich sollte einen High Yield Savings Account eröffnen. Da ich bereits ein Konto bei Trade Republic hatte, eröffnete ich kurzerhand ein Konto bei Scalable und erklärte den Tag für mich als Erfolg, auch wenn ich seinen Affiliate-Link nicht nutzen konnte.

Sales Pitch

Am zweiten Tag wurde mir klar, dass ich nicht die Zielgruppe war. Die E-Mails enthielten nicht nur motivierende Reden, sondern auch praktische Tipps, aber alles für Leute, die mit dem Konzept des Budgets nicht vertraut sind und mehrmals im Monat ein Gehalt erhalten. Vincent sprach über Budgetierung, Schuldenmanagement und einfache Möglichkeiten, mehr Geld zu sparen. Bis dahin war alles noch recht harmlos und tatsächlich nützlich, wenn auch nicht wirklich auf eine Kartoffel anwendbar. Doch am dritten Tag wurde klar: Hier ging es um mehr als nur Tipps und Ratschläge. Vincent begann subtil auf seine kostenpflichtigen Kurse und Coachings hinzuweisen. Die kostenlosen Inhalte waren ok, aber es wurde klar, dass die wirklich “wertvollen” Informationen hinter einer Paywall versteckt waren.

Die Häufigkeit der E-Mails nahm nicht zu, aber die Dringlichkeit der Botschaften. Ich hatte das Gefühl, in einen Trichter gezogen zu werden, an dessen Ende nur eine Lösung stand: Kaufe Vincents exklusiven Kurs, sonst wirst du deine finanziellen Ziele nie erreichen. Die Angebote wurden immer verlockender, die Versprechungen immer größer. „Nur heute!“, „Letzte Chance!“, „Verpassen Sie nicht die Chance Ihres Lebens!“ “71% Rabatt nur für Teilnehmer” – diese Sätze tauchten immer wieder auf. Es war ein klassischer Sales Funnel, liebevoll umgesetzt ohne Innovation, denn man war ja schon in seiner Gedankenwelt unterwegs.

Go get’em

Am fünften Tag war ich nicht mehr überrascht. Ich wusste, dass die letzte E-Mail kommen würde und mit ihr das ultimative Angebot. Und tatsächlich, da war sie: Eine ausführliche Erklärung, warum Vincents “Money-OS” der einzige Weg zu wirklichem finanziellen Wohlstand sei. Unterlegt mit seiner persönlichen Erfolgsgeschichte wurde mir eindringlich empfohlen, jetzt zuzuschlagen. Der Preis? Eine „Investition“ in mich selbst, wie es hieß.

Ich habe mich dagegen entschieden. Nicht, weil ich nicht an die Möglichkeiten glaubte, sondern weil ich erkannt hatte, dass das Prinzip immer dasselbe war: Versprechen, Hoffnungen wecken und dann das große Geschäft machen. Vincents Kurs war ein Paradebeispiel dafür, wie Werbegeschenke als Köder benutzt werden, um Menschen in einen Verkaufsprozess zu ziehen. Es war lehrreich, aber nicht so, wie Vincent es beabsichtigt hatte. Bin ich schon einmal auf so etwas hereingefallen? Natürlich. Aber dieses Mal bin ich stark geblieben.

Abschließend kann ich sagen, dass mir diese Erfahrung die Systematik sehr deutlich vor Augen geführt hat. Freebie-Kurse sind oft der Einstieg in eine gut durchdachte Verkaufsstrategie. Sie bieten einen Vorgeschmack, machen neugierig und führen dann gezielt zum eigentlichen Produkt. Das muss nichts Schlechtes sein, solange man sich dessen bewusst ist und entscheidet, ob man den nächsten Schritt gehen will oder nicht. Für mich war das eine gute Lektion in Marketing und Psychologie für Amerikaner. Aber als Kartoffel, die seit Jahren YNAB benutzt, bin ich hier ausnahmsweise immun. Ich hoffe, du auch.

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